Hintergrund

Umstrittener Bremer Künstler: Kein Werk wurde so oft geklaut wie seins

Tatort Böttcherstraße: Wo ist der Hahn vom Bremer Siebenfaulenbrunnen?

Bild: Imago | Volker Preußer

Alle Bremer kennen seine Kunst, und doch ist er vielen nicht bekannt. Bernhard Hoetger wirkte in Worpswede und prägte die Böttcherstraße. Vor 150 Jahren wurde er geboren.

Jede Bremerin kennt ein Werk von ihm. Sei es das märchenhaft wirkende Künstlerhaus "Kaffee Worpswede", sei es der gigantische Niedersachsenstein oder die von ihm entworfenen Gebäude der Bremer Böttcherstraße, über deren Eingang auch Bernhard Hoetgers goldenes Fassadenrelief "Lichtbringer" schwebt.

Letzterer, also der Lichtbringer, ist bis heute ein Grund, weshalb der Expressionist umstritten ist. Denn das 1936 geschaffene und von Touristen gerne fotografierte Kunstwerk gilt bei vielen als Lobpreisung Adolf Hitlers.

Doch so umstritten seine Kunst ist, so beliebt ist sie auch. Das zeigt sich vor allem im schattigen Hof vor dem ebenfalls von Hoetger 1926 geschaffenen Paula Modersohn-Becker Museum. Denn dort steht Hoetgers Sieben-Faulen-Brunnen, auf dessen Wasserrohr die Bremer Stadtmusikanten tänzeln. Mit einer Ausnahme: Der Hahn ist verschwunden – und das aus gutem Grund. Denn der bronzene Vogel ist seit Jahrzehnten bei Langfingern begehrt. Wohl kein Bremer Kunstwerk ist so oft geklaut worden wie dieses – insgesamt sieben Mal.

Erster Raub schon 1957 durch Seeleute

Begonnen hat die Diebstahlserie bereits vor über 65 Jahren. Samt Fahndungsfoto des Hahns meldete der Weser-Kurier damals den Raub. Wobei auch festgestellt wurde, dass "Kunstfreunde" sicherlich nicht am Werk gewesen seien: Die abgebrochenen Füße des Hahns krallten sich noch am Wasserrohr des Sieben-Faulen-Brunnens fest.

Bronzefiguren der "Bremer Stadtmusikanten" auf der Brunnenröhre des "Sieben Faulen"-Brunnens von Bernhard Hoetger im Handwerkerhof der Böttcherstraße
Auf dem Sieben-Faulen-Brunnen spazieren heute nur noch drei Stadtmusikanten. Bild: dpa | Ingo Wagner

Die Spur zur Bronzeskulptur führte die Polizei in den Bremer Hafen. Dort soll ein 19-jähriger Offiziersanwärter den Hahn im Gepäck gehabt haben, als er per Frachtschiff über Antwerpen und London in Richtung Miami aufbrach. In Florida wurde der Hahn schließlich von der Polizei sichergestellt.

Es stellte sich heraus, dass zwei betrunkene Seeleute ihn abgebrochen und später dem Offiziersanwärter zum Andenken an Bremen geschenkt hatten.

Zwei 11-Jährige fanden den Hahn wieder

Zurück in Bremen dauert es nur wenige Jahre, bis der Hahn erneut für Aufregung sorgte. 1963 entdeckte der damalige Böttcherstraßenhausmeister, dass die Skulptur ein weiteres Mal gestohlen worden war. Diesmal blieben nur zwei abgesägte Hühnerfüße zurück. Doch erneut ging der Fall glimpflich aus. Zwei elfjährige Jungen fanden den vermissten Stadtmusikanten wenige Tage später im Fahrstuhl eines Restaurants im Bremer Hauptbahnhof.

Es sollte nicht der letzte Raub sein. Im Februar 1980 war der Hahn wieder weg. Dieses Mal wurde die Kriminalpolizei in einer Wohnung eines 19-jährigen Lehrlings in Gröpelingen fündig. Der hatte den Gockel nach einem Kinobesuch abgebrochen und mitgenommen. Die Figur hatte ihm schlicht gefallen, begründete er damals seine Tat.

Mehrere Nachgüsse seit dem ersten Diebstahl

Im November 1989 folgte der nächste Raub – da handelte es sich aber schon um einen Nachguss des archivierten Originals. Ob es seine Anmut oder der geschätzte Wert von damals 3.500 D-Mark (rund 1.800 Euro) waren, der zum Diebstahl führte, bleibt offen. Denn weder Hahn noch Täter wurden je wiedergesehen.

Bernhard Hoetger, Ludwig Roselius
Der Künstler Bernhard Hoetger (links) und der Unternehmer Ludwig Roselius (rechts) gestalteten gemeinsam die Bremer Böttcherstraße. Bild: Archiv Böttchertraße

Den nächsten Nachguss erwischte es 2014. Hier ging die Sache allerdings gut aus. Der Hahn kam zurück in die Bremer Böttcherstraße – in einem Paket mit der Adresse "Hahn-Sorry-Straße". Besser wurde es danach nicht. 2016 wurde die Bronzeskulptur abermals gestohlen – und blieb verschwunden.

Als der Hahn 2018 zum siebten Mal abhanden kam, hatten die Beteiligten genug und stellten ihn nicht mehr auf. Das Ende des letzten Hahns war das aber nicht. Ein halbes Jahr später erzählte eine Stadtführerin gerade die Geschichte des gestohlenen Stadtmusikanten, da zog ein Tourist ein Stück Bronze hinter der Büste des Böttcherstraßen-Mäzens Ludwig Roselius hervor. "Meinen Sie diesen hier?", fragte er. So fand der Hahn ein letztes Mal zurück in die Böttcherstraße.

Heute erinnert nur noch ein kleines Schild an den verschwundenen Stadtmusikanten auf dem Sieben-Faulen-Brunnen. Doch auch das nicht immer. Bis vor kurzem galt auch die Infotafel als gestohlen.

Worpswede wird zum Filmset: Doku-Drama über Künstler Bernhard Hoetger

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Mai 2024, 19:30 Uhr